Was bringen uns FIDLEG und FINIG im Ausland?

FIDLEG UND FINIG treten per 1. Januar 2020 in Kraft. Strategische Optionen für die export­orientierte Schweizer Finanzindustrie. Lesezeit: 5 Minuten.

Die Diskussionen um die Börsenäquivalenz haben gezeigt, dass der Marktzugang für Schweizer Finanzdienstleister für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes von strategischer Bedeutung ist. Leider allzu oft sind die Schwierigkeiten nicht alleine inhaltlicher Natur, sondern abhängig von politischen Verknüpfungen wie dem Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU. So ist derzeit noch unklar, ob die beiden neuen Gesetze Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und Finanzinstitutsgesetz (FINIG), die bewusst in Anlehnung an die EU-Gesetzgebung „Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) II“ gestaltet wurden und ab 2020 in Kraft treten, für die EU als äquivalent gelten.

Arten des Marktzugangs

Um Kunden ausserhalb der Schweiz zu bedienen, stützen sich heute noch (zu) viele Finanzdienstleister auf das riskante Konzept der „Reverse Solicitation“ respektive der Möglichkeiten des „passiven Marketings“ ab. Reverse Solicitation liegt vor, wenn die Initiative für eine Dienstleistung oder ein Produkt vom (potentiellen) Kunden ausgeht. Das heisst, dass Reverse Solicitation die Betreuung der bestehenden Kunden im Ausland nur im Rahmen üblicher Geschäfte sowie die Akquisition neuer Kunden im Ausland nur auf deren eigenen Initiative erlaubt.

Dieses Vorgehen bringt erhebliche Risiken mit sich, da zum einen weltweit das Verständnis von Reverse Solicitation sehr uneinheitlich ist und deshalb Ausnahmeregelungen in der Regel sehr eng ausgelegt werden. Zum anderen geniessen diese grundsätzlich keine grosse Akzeptanz bei Aufsichtsbehörden und Gerichten. Die Folge ist, dass die Kundenberater in den jeweiligen Zielmärkten nicht viel mehr als Golf spielen dürften, wie ein Beispiel eines Merkblattes bezüglich grenzüberschreitender Aktivitäten einer bekannten Schweizer Bank in unsere Nachbarländer zeigt.

 
Land Identifikation der Kunden Sammeln von KYC-Informationen und Dokumentation Eröffnungsformalitäten (Bereitstellung und/oder Entgegennahme Formulare)
Deutschland Nur auf dokumentierte Kundenanfrage hin Nur auf dokumentierte Kundenanfrage hin Nur auf dokumentierte Kundenanfrage hin
Österreich Nur auf dokumentierte Kundenanfrage hin Nur auf dokumentierte Kundenanfrage hin Nur auf dokumentierte Kundenanfrage hin
Italien Unzulässig Unzulässig Unzulässig
Frankreich Zulässig Zulässig Unzulässig

Um die grenzüberschreitenden Risiken zu minimieren, ziehen grössere Finanzdienstleister eine Präsenz vor Ort in Erwägung. So haben bereits eine handvoll unabhängiger Schweizer Vermögensverwalter in Liechtenstein oder Luxemburg eine Niederlassung aufgebaut und profitieren damit vom EU-Pass, was ihnen den Marktzugang zur Europäischen Union ermöglicht.

Herausforderungen beim Marktzugang

Ausserhalb der EU ist eine Präsenz vor Ort für viele Finanzdienstleister sehr kostspielig. So haben zwar im aufstrebenden Asien viele Finanzdienstleister eine Präsenz aufgebaut, die latenten grenzüberschreitenden Risiken des Geschäfts bleiben hingegen bestehen, da die Kundschaft ausserhalb der Finanzzentren Hong Kong oder Singapur domiziliert ist (z.B. in China, Indien oder Indonesien).

Viele Schweizer Finanzdienstleister nehmen diese Risiken bewusst in Kauf mit Ausnahme des Geschäfts mit amerikanischen Kunden, wo trotz Trumps allgemeiner Deregulierungsstrategie nach wie vor das Damoklesschwert von US-Strafen schwebt und Banken und unabhängige Vermögensverwalter eine Lizenzierung bei der amerikanischen Börsenaufsicht (SEC) bevorzugen. Etwa rund 50 Schweizer Institute sind bei der SEC registriert.

Schweizer Finanzdienstleister sind heute angewiesen, die Vorschriften des jeweiligen Ziellandes zu kennen und für die einzelnen Zielländer umfassende Kompetenzen aufzubauen und entsprechend auch einzuhalten. Dies ist als solches nichts Neues. Oftmals sind die Schweizer Finanzdienstleister jedoch immer noch zu verzettelt. Bei kleineren Instituten geht es um die Existenz und deshalb schreckt man vor einer radikalen Marktbereinigung zurück. Auch werden oft Ausnahmen gemacht (z.B. grundsätzlich keine US-Kunden, aber Enkelin des Privatbankiers darf Kunde bleiben obwohl schon seit Jahrzehnten wohnhaft in den USA). Ein Blick auf die geltende Praxis zeigt auch, dass Banken oft ihren Kundenberater eine Höchstzahl von Märkten nicht vorschreiben oder sehr kulant sind. Gewisse Banken erlauben ihren Kundenberatern, Endkunden aus bis zu 16 verschiedenen Ländern zu betreuen.

Partnermodelle, Konsolidierung oder Rückzug

Es ist davon auszugehen, dass die FINMA diesem Umstand nicht mehr länger tatenlos zusehen wird, was die Konsolidierung der Schweizer Privatbanken weiter beschleunigen wird. Die oft beschworene Konsolidierung wird dann vermutlich auch die Finanzintermediäre umfassen. Zwar hat man die für die Finanzintermediäre neu geltenden Gesetze wie FIDLEG und FINIG auf ein erträgliches Mass zurückgestuft. Somit werden auch kleinere und mittlere Finanzdienstleister weiterhin mit vertretbarem Aufwand Finanzdienstleistungen anbieten können. Dass die Schweiz ihrer traditionell auf Prinzipien basierten Regulierung treu bleibt, ist eine grosse Chance für den Schweizer Finanzplatz insbesondere für kleine Schweizer Finanzdienstleister. Entwicklungen in Deutschland zeigen, dass eine harte Regulierung nach MiFID II dazu führt, dass sich viele Finanzanbieter auf Kosten der Kunden aus der Anlageberatung zurückziehen oder deren Dienstleistungen nur noch sehr stark standardisiert anbieten.

Beim Zugang für Schweizer Finanzdienstleister zu ausländischen Märkten nützt jedoch alles Lobbieren in Bern nichts. Ausländisches Aufsichtsrecht gilt einzuhalten und die noch von der FINMA zu bestimmenden Aufsichtsorganisationen sowie die EAM-Banken werden Schweizer Finanzintermediäre zwingen, sich auf wenige Zielmärkte zu fokussieren und dort entsprechende Lizenzen zu beantragen.

Konkretes Beispiel Südafrika

Gemäss der im IFZ Vermögensverwalter Guide 2019 publizierten Auswertungen decken fast die Hälfte der 28 befragten Banken das Domizilland Südafrika ab. Nur ein Viertel dieser Banken verfügt jedoch über eine Lizenz vor Ort. Bei den rund 2’500 Finanzintermediären in der Schweiz sieht das Bild nicht besser aus. Weniger als fünf unabhängige Schweizer Vermögensverwalter verfügen derzeit über eine Lizenz in Südafrika (darunter auch die Firma IAP).

Ein Alleingang bei der Lizenzierung durch die südafrikanische Finanz-Aufsicht FSCA macht für einen unabhängigen Vermögensverwalter nur ab einer gewissen Grösse Sinn. Zwar liegen die direkten Kosten der Aufsichtsbehörde FSCA im unteren fünfstelligen Bereich. Aufgrund der Lizenzierung der Kundenberater sowie durch die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen u.A. einem Compliance Officer vor Ort, entsteht jedoch jährlich ein grosser Mehraufwand, welcher nur mit einem genügend grossen Kundenportfolio im jeweiligen Zielland rentabel ist.

Fazit

Finanzdienstleister werden vermehrt zusammenspannen müssen, um die verschiedenen Länder abdecken zu können. Nebst der UBS und der CS werden im Privatkundengeschäft vermutlich nur Banken mit Kundenvermögen von mehr als 100 Milliarden wie z.B. Pictet, Julius Bär, Lombard Odier, etc. wirklich global Lösungen anbieten können.

Alle anderen Finanzdienstleister, insbesondere die unabhängigen Vermögensverwalter werden die Märkte radikal bereinigen sowie mit Partnerschaftsmodellen operieren müssen, um den Marktzugang zu den EU-Mitgliedstaaten und ausserhalb sicherstellen zu können.

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